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Die Leidinger Hochzeit

Personen

Philipp Hautz

TISCHKARTE:

Der Lehrer gleiche nicht einem Raubvogel,
der Eier aus einem Nest holen will,
worin noch keine gelegt sind.
(Pestalozzi)

Der Vater des Bräutigams

(Quelle: Alfred Gulden: Materialienbuch. Vorarbeiten zum Roman "Leidinger Hochzeit" S. 272 ff, D1A)

Der ehemalige Lehrer im Dorf. Der letzte Lehrer im Dorf. Nach ihm wurde die Dorfschule aufgelöst. Die Kinder gehen jetzt, vielmehr, sie werden abgeholt, in eine größere Schule der Umgebung. Keine "Zwergschule" mehr, in der alle Jahrgänge waren. Der Lehrer soll, wie die Dorfleute sagen, ein strenger, aber auch gerechter Lehrer gewesen sein. Silbergraue, fast weiße Haare. Geste (mit der er die Haare zurückwischt...). Jetzt hat er seit kurzem eine Brille. Alterskurzsichtigkeit (oä). Er ist eine Art Heimatforscher. Aber anders als sein Sohn. Mehr Bewahrer. Wobei er nur Bestimmtes bewahrt wissen will. Was interessierten die Leute schon die schlechten Zeiten, das Übel? Damit denkt er natürlich auch an sich, an seine Übel. Sein Sohn wirft ihm das vor.
Sein Kriegstagebuch, in den Heimatblättern veröffentlicht, von seinem Sohn mit Mißtrauen betrachtet,
Erich, sein Sohn,
hat viel vom Vater, viel aber auch nicht. Sicher: äußerlich. Auch das hagere Gesicht, die scharf blickenden Augen, das blonde Haar, eckig die Bewegungen. Aber im Kopf, da sind sie doch sehr verschieden. Obgleich auch Erich "Wurzeln schlagen" Spuren sichern will,
Aber nicht so, wie sein Vater.
Beide Seiten der Medaille. Auch die Scham, auch Fehler eingestehen, nicht nur das Schöne sein lassen. Die Sammlung von Blut und Bodenliteratur hat er zum Glück für Erich noch aufbewahrt. Für Erich eine Fundgrabe für Argumente. Der Lehrer ist, wie er es nennt, gegen alles Zersetzende, das Grüblerische, Zweifelnde. Derselbe Geist, nur andere Kleidung, sagt Erich dann. Oft haben sie Auseinandersetzungen deswegen. Vater und Sohn ähneln sich darin nicht. Oft gehen sie unversöhnlich auseinander. Einmal hatte sich der Sohn ganz zurückgezogen, das Lehrerhaus nicht mehr besucht, seine Wohnung, wo er die meisten seiner Bücher hat, seine Musikinstrumente. Bis der Vater ihn dann in seiner Stadtwohnung anrief auf ein Gläschen Mirabelle. Der Mirabelle war das Zeichen. Ihr Zeichen für Versöhnung, wieder zusammen zu reden, sich zu treffen. Friedenstaube, dargereichte Hand, nimm's nicht so, so nicht gemeint.... Die Frau des Lehrers, die Mutter von Erich, starb bei Erichs Geburt, hat einiges mitmachen müssen. Das ist nicht ohne Spuren vorbeigegangen. Er hat nicht mehr geheiratet.
Wie viele Kinder aus diesem Dorf sind durch seine Hände gegangen? Oft noch kommen sie zu ihm, Rat holen. Damals hat er auch eine Laienspielgruppe gehabt, den Gesangverein geleitet, Wanderungen veranstaltet, Vorleseabende: er hat das Dorf auch kulturell zusammengehalten. Oft hört man bei den Dorfbewohnern noch heute: bei ihm, da war das Dorf noch eins....
Ob sein Sohn das fortführen kann, will? Der Lehrer glaubt nicht daran. Dennoch ist er stolz auf seinen Sohn, auch wenn er nur kleiner Lokalreporter geworden ist. Zwiespältig sind ihm die Gefühle, wenn er daran denkt: hätte der Sohn nicht besser doch den Posten in der großen Stadt weit weg behalten? Anstatt zurückzukommen? Wird das gut gehen? Gut, er ist kein Fremder, aber ist er noch ein Einheimischer? War er das je? Immer der Sohn des Lehrers, der ja auch nicht auf Generationen zurückblicken kann, sondern aus der nahen Kleinstadt hierher gekommen ist, Lehrer zu sein­ und geblieben ist. Gut, der Sohn ist hier geboren, das heißt hier schon was, aber was?

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